Chicago, die Zweite
Wenn man absolut keine Lust hat zu zählen, empfehle ich folgende zwei Aufgaben:
1.) vom Campus der University of Chicago (ein wunderschöner Campus mit Gebäuden im neo-gotischen Stil und vielen Grünflächen) weiter Richtung Süden laufen und alle Weißen zählen, die einem begegnen.
Anschließend kann man von der südlichen Endstation der grünen Metrolinie einmal komplett durch die Stadt fahren (die ganze Zeit auf einem Viadukt mit tollen Ausblicken) und
2.)in Oak Park alle Republikaner zählen, die dort wohnen.
Man wird in beiden Fällen nicht viel zu zählen haben. Es ist (gerade für Geographen, die sich ja mit so etwas beschäftigen) beeindruckend, wie stark die Segregation der einzelnen Ethnien in Chicago ausgeprägt ist. Eine Vermischung findet quasi nicht statt. Ganz stark vereinfacht kann man sagen, dass Chicago die Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts abbilden: im Süden viele Schwarze, im Norden viele Weiße. Ich greife einmal vor auf einen (Weißen) Bewohner Chicagos, den ich morgen in Washington treffen werde und der mir erzählen wird, dass er noch nie im Süden der Stadt war. Auch das ist für uns Europäer einmal mehr nicht nachvollziehbar.
Was die Republikaner in Oak Park angeht: wir schreiben das Jahr 2008. Das Jahr, in dem George W. Bush abgewählt wird. Als Nachfolger kommen John McCain und Barack Obama in Frage, der Ausgang ist offen. Allerdings scheint das ganze Land von einer Art Obama-Fieber besessen: überall „Obama 2008“-Aufkleber; Souvenirshops voller Obama-T-Shirts; auf jedes McCain-Buch im durchschnittlichen Bookshop kommen zehn Obama-Bücher. Das ganze ist in Illinois (Barack Obama ist Senator von Illinois!) natürlich noch extremer. In einer solchen Ausprägung wie in Oak Park habe ich das Obama-Fieber aber noch nicht gespürt: neben jeder dritten Haustür hängt ein Obama-Plakat und jedes zweite Auto trägt einen Obama-Aufkleber. Ich habe kurz versucht, mir das ganze auf Deutschland übertragen vorzustellen. Wer wollte nicht schon immer einmal Kurt Beck auf sein Auto kleben oder Angela Merkel neben die Haustür hängen?
Genug Fotos gemacht. Genug Hochbahn gefahren. Little Italy gefunden. iPod gekauft. Alles klar, Chicago ist abgehackt, weiter geht es Richtung Washington (oder, wie der Amerikaner sagt, nach D.C.). Auf der Ankunftstafel lese ich, dass der California Zephyr aus San Francisco heute um 2:30h (ja, in der Nacht) erwartet wird. Da habe ich ja gestern Richtig Glück gehabt…
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