Vancouver
„Multikulturalismus in einem bilingualen Framework“ versucht man in Kanada zu erreichen, wobei die zwei Sprachen natürlich Englisch und Französisch sind. Bei uns in Deutschland sind zwei Straßen, in denen viele Türken wohnen, gleich „Multikulti“. Was Multikulti eigentlich ist, kann man in Vancouver beobachten. Multikulturell war die Stadt bereits von der Gründung (erst 1886!) an. Asiaten kamen hier schon immer genauso hin wie Europäer. Viele verschiedene Kulturen leben hier in ein und derselben Stadt. Stellt man sich an eine Straße und schaut in die Autos, so wird man abwechselnd Asiaten, Schwarze und Kaukasier erblicken. „Highway to heaven“ nennt der Volksmund eine Straße, an der unter anderem ein buddhistischer Tempel, eine große Moschee und ein indisches Kulturzentrum aufgereiht sind. Das ist wirklich Multikulti, nur nennt man es hier nicht so.
Von den 2,1 Mio. Bewohnern im Großraum Vancouver sind etwa 800.000, also rund 40%, nicht in Kanada geboren. Gegenwärtig kommen die meisten Einwanderer aus China, Indien, Vietnam und den Philippinen, der Anteil der „Weißen“ an der Gesamtbevölkerung sinkt also weiter. Im Gegensatz zu Deutschland hat man hier aber anscheinend keine Angst vor Überfremdung, sondern man lebt einfach gerne in einer offenen, toleranten Stadt mit Menschen aus der ganzen Welt. Schön, dass es so etwas gibt.
Ich habe schon viele Bekloppte gesehen, aber noch nie so viele so konzentriert an einem Ort. Badeabschnitt 6 an der Strait of Georgia, einem Seitenarm des Pazifischen Ozeans, ist folglich der bekloppteste Ort, an dem ich je war. Die große Zahl an Exhibitionisten, Hochstaplern und Irren machen es schwer, den Tagebucheintrag jugendfrei zu halten. Aber jemand, der sich als weltbekannter Sänger vorstellt und sich mit nicht nichts außer drei Goldketten bekleidet auf einen Baumstamm stellt, um uns eine Opernarie darzubieten, muss im Tagebuch erwähnt werden; genauso wie jemand, der den ganzen Tag damit beschäftigt ist, nackt durch die Reihen zu laufen und sein Glied zu präsentieren.
Es gab noch viele andere Verrückte, aber um den abendlichen Strandbesuch auf das Wesentliche zusammenzufassen: blauer Himmel, bräunlicher Pazifik; kleine Verletzungen durch große Steine im kalten Wasser; gelungener Abschluss eines multikulturellen Tages.
(vergesst's, hierzu gibt's kein passendes Foto!!!)
Den heutigen Vormittag, den letzten in Vancouver, haben wir in West End verbracht, einem an die Downtown angrenzenden sehr lebendigen Viertel. Die letzten Überbleibsel der Bebauung aus dem 19. Jahrhundert – kleine bunte Holzhäuschen – stehen hier direkt neben Wohnhochhäusern aus den 70er Jahren; dazwischen immer wieder kleine Grünflächen und natürlich die obligatorischen oberirdischen Stromleitungen mit ihren schiefen Holzmasten.
Zwei Gebiete in West End fallen besonders auf: Davie Village und die nördliche Waterfront. Ersteres ist ein stadtbekannter Schwulenkiez, in dem die Stadtverwaltung als Erkennungszeichen Bushaltestellen und Mülleimer mit einer rosa Lackierung versehen hat. Letzteres war in früheren Zeiten ein großes Industrieareal, wo u.a. Boeing eine Fabrik betrieben hat. In der letzten Dekade hat sich das Gebiet sehr schnell gewandelt und innerhalb kurzer Zeit ist eine stattliche Zahl von Condominium Towers (Eigentumswohnung-Hochhäuser) entstanden. Direkt am Wasser findet man Fahrradwege und Grünflächen, bzw. im Wasser auch zwei Yachthäfen. Die Hochhäuser, von denen vor zehn Jahren noch kein einziges gestanden hat, sind alle in einer modernen Bauweise mit einem hohen Glassanteil errichtet worden. Insbesondere die Wohnungen in den höheren Stockwerken mit Blick aufs Wasser können aus studentischer Sicht als schlichtweg unbezahlbar bezeichnet werden.
Unbezahlbar sind auch die Villen, die sich an den Berghängen nördlich von Vancouver entlang ziehen. Die Aussicht von hier auf die Skyline von Vancouver, auf Vancouver Island, auf den Mount Baker sowie auf andere Berge und viel Wasser ist faszinierend. Wir haben es geschafft, uns mit Mietwagen, Karte und Orientierungssinn ausgestattet so lange durch das Villengebiet am Hügel durchzukämpfen, bis wir diesen grandiosen Ausblick auf das schöne Vancouver genießen konnten.
Zehn Stimmen für Vancouver, vier für Toronto und zwei für Montreal. Ottawa ist leer ausgegangen. So das Ergebnis der Abstimmung der Exkursionsteilnehmer, in welcher der besuchten kanadischen Städte sie am liebsten wohnen würden. Vancouver hat es uns also offensichtlich angetan. Diese schöne, dynamische, multikulturelle Stadt zwischen Pazifik und Hochgebirge. Dieses kanadische Tor nach Asien. Diese Inseln der Glückseligkeit. Vancouver hat sich seine zehn Stimmen auf jeden Fall verdient. Meine war auch dabei.
Mit dieser Abstimmung und einer abschließenden Diskussion ist die Hauptexkursion 2008 Kanada zu Ende gegangen. Es folgt noch ein gemeinsames Abendessen, aber das war’s dann. In den zwei Exkursionswochen haben wir – nicht zuletzt dank ausgezeichneter einheimischer Exkursionsleiter – vier wichtige kanadische Städte sehr intensiv kennen gelernt. Wir haben viel über die nordamerikanische Stadt an sich gelernt und wissen bei der weiteren USA-Reise nun, worauf es sich zu achten lohnt. Viel gelernt haben wir. Viel Spaß hatten wir auch. Schön war’s.
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